Lesen bildetLesen bildet

Lesen bildet: wir präsentieren hier kurze Kritiken / Zusammenfassungen zu ausgewählten Werken der klassischen und zeitgenössischen Literatur. Dabei finden meistens nur solche Bücher Aufnahme in die Liste, die unserer Meinung nach in die Kategorie fallen: „Nur vom obersten Bord“ (des Bücherregals).

Zitat: Wer Bücher liest, schaut in die Welt
und nicht nur bis zum Zaune.
(Johann Wolfgang von Goethe)

"Wir sind wie Bücher. Die meisten Menschen sehen nur unser Deckblatt, eine Minderheit liest nur die Einleitung, viele Menschen glauben den Kritikern. Nur wenige kennen unseren Inhalt." [Émile Zola (französischer Schriftsteller, 1840 - 1902)]

"Ein Buch, das nicht wert ist, zweimal gelesen zu werden, ist auch nicht wert, dass man es einmal liest." [Jean Paul (deutscher Schriftsteller, 1763 - 1825)]

Lesen

Lesen ist der Prozess der Aufnahme des Sinns oder der Bedeutung von Buchstaben, Symbolen usw., insbesondere durch Sehen oder Tasten.
Für Pädagogen und Forscher ist Lesen ein vielschichtiger Prozess, der Bereiche wie Worterkennung, Orthografie (Rechtschreibung), Alphabetik, Phonetik, phonemisches Bewusstsein, Wortschatz, Verständnis, Lesefluss und Motivation umfasst.


Und die Bücher, die, manche heimlich, ins Haus kamen – nun Samuel glitt leicht und sicher auf einem Buch dahin, sich inmitten von dessen Gedankenwelt in schönem Gleichgewicht haltend, so wie ein geschickter Kanufahrer über weißgischtende Stromschnellen hingleitet. Tom aber versenkte sich in ein Buch, er kroch und wühlte zwischen den Deckel herum, grub sich wie ein Maulwurf Gänge durch die Gedanken und kam daraus mit Spuren den Buchs auf Gesicht und Händen an die Oberfläche.

John Steinbeck (1902 - 1968); aus dem Roman "Jenseits von Eden"

Der Abend ist mein Buch

Der Abend ist mein Buch. Ihm prangen
die Deckel purpurn in Damast;
ich löse seine goldnen Spangen
mit kühlen Händen, ohne Hast.

Und lese seine erste Seite,
beglückt durch den vertrauten Ton, -
und lese leiser seine zweite,
und seine dritte träum ich schon.

Rainer Maria Rilke


Lesen ist typischerweise eine individuelle Tätigkeit, die schweigend durchgeführt wird, obwohl gelegentlich eine Person laut für andere Zuhörer liest; oder für sich selbst laut liest, um besser zu verstehen. Vor der Wiedereinführung des getrennten Textes im späten Mittelalter galt die Fähigkeit, lautlos zu lesen, als eher bemerkenswert.

Wichtige Prädiktoren für die Fähigkeit eines Individuums, sowohl alphabetische als auch nicht-alphabetische Schriften zu lesen, sind mündliche Sprachkenntnisse, phonologische Bewusstheit, schnelles automatisiertes Benennen und verbaler IQ.

Als Freizeitbeschäftigung lesen Kinder und Erwachsene, weil es angenehm und interessant ist. In den USA liest etwa die Hälfte aller Erwachsenen jedes Jahr ein oder mehrere Bücher zum Vergnügen. Etwa 5 % lesen mehr als 50 Bücher pro Jahr. Menschen lesen mehr, wenn sie: mehr Bildung haben, fließend und leicht lesen können, weiblich sind, in Städten leben und einen höheren sozioökonomischen Status haben. Kinder werden bessere Leser, wenn sie mehr über die Welt im Allgemeinen wissen und wenn sie Lesen als Spaß und nicht als eine weitere zu erledigende Aufgabe wahrnehmen.

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Das letzte Buch

"Das Kind kam heute spät aus der Schule heim. Wir waren im Museum, sagte es. Wir haben das letzte Buch gesehen. Unwillkürlich blickte ich auf die lange Wand unseres Wohnzimmers, die früher einmal mehrere Regale voller Bücher verdeckt haben, die aber jetzt leer ist und weiß getüncht, damit das neue plastische Fernsehen darauf erscheinen kann. Ja und, sagte ich erschrocken, was war das für ein Buch? Eben ein Buch, sagte das Kind. Es hat einen Deckel und einen Rücken und Seiten, die man umblättern kann. Und was war darin gedruckt, fragte ich. Das kann ich doch nicht wissen, sagte das Kind. Wir durften es nicht anfassen. Es liegt unter Glas. Schade, sagte ich.
Aber das Kind war schon weggesprungen um an den Knöpfen des Fernsehapparates zu drehen. Die große weiße Wand fing sich an zu beleben, sie zeigte eine Herde von Elefanten, die im Dschungel eine Furt durchquerten. Der trübe Fluss schmatzte, die eingeborenen Treiber schrien. Das Kind hockte auf dem Teppich und sah die riesigen Tiere mit Entzücken an. Was kann da schon drinstehen, murmelte es, in so einem Buch." [Marie Luise Kaschnitz]

Literatur

Literatur ist im weitesten Sinne jede Sammlung schriftlicher Werke, wird aber auch im engeren Sinne für Schriften verwendet, die speziell als Kunstform betrachtet werden, insbesondere Prosa, Drama und Poesie. In den letzten Jahrhunderten hat sich die Definition auf mündliche Literatur ausgeweitet, von der ein Großteil transkribiert wurde. Literatur ist eine Methode zur Aufzeichnung, Bewahrung und Weitergabe von Wissen und Unterhaltung.

Literatur als Kunstform kann auch Werke verschiedener Sachbücher wie Autobiografien, Tagebücher, Memoiren, Briefe und den Essay umfassen. Im weiteren Sinne umfasst Literatur auch nicht-fiktionale Bücher, Artikel oder andere gedruckte Informationen zu einem bestimmten Thema.

Etymologisch leitet sich der Begriff von lateinisch literatura/litteratura "Lernen, eine Schrift, Grammatik" ab, ursprünglich "mit Buchstaben gebildete Schrift", von litera/littera "Buchstabe". Trotzdem wurde der Begriff auch auf gesprochene oder gesungene Texte angewandt. Die Entwicklungen in der Drucktechnik haben eine immer größere Verbreitung und Vermehrung von schriftlichen Werken ermöglicht, was heute auch elektronische Literatur einschließt.

Literatur wird danach klassifiziert, ob es sich um Lyrik, Prosa oder Drama handelt, und solche Werke werden nach historischen Perioden oder ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten ästhetischen Merkmalen oder Gattungen eingeteilt.


 

Anmerkung: hier gibt es auch einige lesenswerte Gedichte Gedichte zum Auswendiglernen ;-).


Jean Paul Sartre war ein bekannter Philosoph, Dramatiker, Romancier und Literaturkritiker. In seinem Essay "Was ist Literatur?" untersucht Sartre den Sinn und Zweck der Literatur.

Sartre argumentiert, dass Literatur eine einzigartige Ausdrucksform ist, da sie sich nicht auf die Vermittlung von Ideen oder Informationen beschränkt. Stattdessen ist die Literatur eine Kunstform, die versucht, das Wesen der menschlichen Erfahrung zu erfassen und durch den Gebrauch der Sprache zu vermitteln. Sartre zufolge ist die Literatur ein Mittel, um eine neue Realität zu schaffen, eine Realität, die über die Grenzen unseres Alltagslebens hinausgeht.

Auch vertritt Sartre die Ansicht, dass die Literatur eine soziale und politische Dimension hat. Er meint, dass die Literatur eine Möglichkeit ist, sich mit der Gesellschaft auseinanderzusetzen und den Status quo in Frage zu stellen. Indem sie alternative Visionen von der Welt präsentiert, hat die Literatur die Macht, Veränderungen anzuregen und den sozialen Fortschritt zu fördern.

Literatur ist wesentlich subjektiv. Jeder Leser bringt seine eigenen Erfahrungen, Überzeugungen und Werte in ein literarisches Werk ein, und folglich ist jede Interpretation einzigartig. Diese Subjektivität ist sowohl eine Stärke als auch eine Schwäche der Literatur, da sie eine Vielfalt von Perspektiven ermöglicht, es aber auch schwierig macht, eine einzige, objektive Bedeutung festzulegen.

Sein Essay "Was ist Literatur?" unterstreicht die Bedeutung der Literatur als Kunstform, die die Kraft hat, über unsere Alltagserfahrungen hinauszugehen und sich auf einer tieferen Ebene mit der Gesellschaft auseinanderzusetzen.

Bücher

Ein Buch ist ein Medium zur Aufzeichnung von Informationen in Form von Schrift oder Bildern, das in der Regel aus vielen Seiten (aus Papyrus, Pergament, Pergament oder Papier) besteht, die miteinander verbunden und durch einen Einband geschützt sind. Der Fachbegriff für diese physikalische Anordnung ist Codex (Plural, Codices). In der Geschichte der in der Hand gehaltenen physischen Träger für erweiterte schriftliche Kompositionen oder Aufzeichnungen ersetzt der Codex seinen unmittelbaren Vorgänger, die Schriftrolle. Ein einzelnes Blatt in einem Codex ist ein Blatt, und jede Seite eines Blattes ist eine Seite.

Als geistiges Objekt ist ein Buch prototypisch eine Komposition von so großer Länge, dass es einen beträchtlichen Zeitaufwand für die Zusammenstellung und einen immer noch beträchtlichen, wenn auch nicht so umfangreichen Zeitaufwand für das Lesen erfordert. Dieser Sinn des Buches hat einen eingeschränkten und einen uneingeschränkten Sinn. Im eingeschränkten Sinn ist ein Buch ein eigenständiger Abschnitt oder Teil einer längeren Komposition, ein Gebrauch, der die Tatsache widerspiegelt, dass in der Antike lange Werke auf mehreren Schriftrollen geschrieben werden mussten und jede Schriftrolle durch das darin enthaltene Buch identifiziert werden musste. So wird zum Beispiel jeder Teil der Physik des Aristoteles als Buch bezeichnet. Im uneingeschränkten Sinne ist ein Buch das kompositorische Ganze, von dem solche Abschnitte, ob nun Bücher oder Kapitel oder Teile genannt, Teile sind.

Der intellektuelle Inhalt in einem physischen Buch muss weder eine Komposition sein, noch muss es überhaupt ein Buch genannt werden. Bücher können nur aus Zeichnungen, Stichen oder Fotografien oder aus Dingen wie Kreuzworträtseln oder ausgeschnittenen Puppen bestehen. In einem physischen Buch können die Seiten leer gelassen werden oder einen abstrakten Satz von Linien als Unterstützung für laufende Einträge aufweisen, z.B. ein Konto-, Termin- oder Autogrammbuch, ein Notizbuch, ein Tagebuch oder ein Skizzenbuch. Einige physische Bücher werden mit Seiten hergestellt, die dick und stabil genug sind, um andere physische Objekte, wie z.B. ein Sammelalbum oder ein Fotoalbum, zu tragen. Bücher können in elektronischer Form als E-Books und in anderen Formaten vertrieben werden.

Obwohl eine Monografie im gewöhnlichen akademischen Sprachgebrauch eher als wissenschaftliche Facharbeit denn als Nachschlagewerk über ein einzelnes wissenschaftliches Thema verstanden wird, bezeichnet eine Monografie in der Bibliotheks- und Informationswissenschaft im weitesten Sinne jede nicht serielle Publikation, die in einem Band (Buch) oder einer begrenzten Anzahl von Bänden (sogar ein Roman wie Prousts siebenbändiger Roman Auf der Suche nach der verlorenen Zeit) erscheint, im Gegensatz zu seriellen Publikationen wie einer Zeitschrift, einem Journal oder einer Zeitung. Ein eifriger Leser oder Sammler von Büchern ist ein bibliophiler oder umgangssprachlich "Bücherwurm". Ein Geschäft, in dem Bücher gekauft und verkauft werden, ist eine Buchhandlung oder ein Buchladen. Bücher werden auch anderswo verkauft. Bücher können auch aus Bibliotheken ausgeliehen werden. Google hat geschätzt, dass bis 2010 etwa 130.000.000 verschiedene Titel veröffentlicht wurden. In einigen wohlhabenderen Ländern ist der Verkauf gedruckter Bücher aufgrund der verstärkten Nutzung von E-Books zurückgegangen.


Interview

Was würden Sie tun, wenn Sie noch fuenf Minuten zu leben hätten? fragte er.
Gar nichts.
Wirklich?
Ja.

Na schön. Mal angenommen Sie hätten noch 2 Wochen zu leben.
Auch nichts.
Also kommen Sie! Jetzt mal im Ernst!
Ist doch mein Ernst. Glaub ich jedenfalls.

Also gut. Und wenn Sie noch 2 Monate hätten?
Entweder eine Bank überfallen oder Wasserski lernen.
Sie nehmen die ganze Sache nicht ernst.

Tja, was würden Sie denn machen, wenn Sie noch 2 Monate zu leben hätten?
Na, ich würde Tag und Nacht saufen und ficken.
Okay, schreiben Sie das auch für mich hin.
Jetzt sprechen Sie meine Sprache! sagte er.

Für einen, der nur noch zwei Monate zu leben hatte, wirkte er sehr zufrieden.

Fiktives Interview mit Charles Bukowski

Verwendung

Abgesehen von dem primären Zweck, sie zu lesen, werden Bücher auch für andere Zwecke verwendet:

Bucharten

Nach Material & Herstellung

Nach Inhalt & Anwendung

Gliederung

Inhaltliche Gliederung von Büchern

Zu den Abschnitten eines Buches gehören (teilweise optional, auch die Reihenfolge kann variieren):

Gliederung von Buchseiten

Rezension

Eine Rezension oder auch Besprechung ist eine veröffentlichte Form einer Kritik, die einen bestimmten, neu erschienenen Gegenstand eines abgegrenzten Themenfeldes vorstellt und wertend behandelt. Es werden in ihr Inhalte wissenschaftlicher Erkenntnisse, kultureller Schöpfungen wie auch Gebrauchsgüter analysiert und in der Regel anhand sach- und fachgemäßer Normen bewertet.

Der Begriff stammt aus dem lateinischen: recensio „Musterung, quantitative Prüfung, Bestandsaufnahme“, von recensere „erzählen, aufzählen, zusammenstellen“ und wird zuweilen auch im deutschen Sprachraum anglisiert zu Review.

Rezensionen werden in der Regel in Druckerzeugnissen oder digitalen Medien schriftlich niedergelegte, zuweilen aber auch mündlich in Funk, Film oder Fernsehen.
Als Teil des Feuilletons erscheinen Rezensionen zeitnah kurz vor oder nach der Veröffentlichung ihres Betrachtungsgegenstandes. Während jedoch zum Beispiel bei einer Filmkritik Vorabbesprechungen üblich sind, versuchen Buchverlage für Literaturkritiken bzw. Buchbesprechungen meist einen Zeitpunkt mit oder nach Erscheinen eines Buches vorzugeben.

Essay

Ein Essay ist im Allgemeinen ein Schriftstück, das das eigene Argument des Autors wiedergibt, aber die Definition ist vage und überschneidet sich mit denen eines Briefes, eines Aufsatzes, eines Artikels, eines Pamphlets und einer Kurzgeschichte. Aufsätze werden traditionell in formelle und informelle Aufsätze unterteilt. Formelle Essays zeichnen sich durch "ernsthafte Absicht, Würde, logische Organisation, Länge" aus, während der informelle Essay durch "das persönliche Element (Selbstoffenbarung, individuelle Geschmäcker und Erfahrungen, vertrauliche Art und Weise), Humor, anmutigen Stil, abschweifende Struktur, Unkonventionalität oder Neuheit des Themas" usw. gekennzeichnet ist.

Er "soll" eine geistreiche Abhandlung darstellen, in der wissenschaftliche, kulturelle oder gesellschaftliche Phänomene betrachtet werden. Im Mittelpunkt steht oft die persönliche Auseinandersetzung des Autors mit einem Thema; siehe: Virginia Woolfs Essay „Ein Zimmer für sich allein“ (1929) in dem sie für Frauenrechte eintrat.

Ähnliche Textarten, teilweise auch synonym verwendet, sind Traktat, Aufsatz und (veraltet) Causerie. Verwandte journalistische Darstellungsformen sind die Glosse, die Kolumne, der journalistische Kommentar und der Leitartikel. Im Blick auf den Geistreichtum eines guten Essays kann man den Essay als den „großen Bruder“ des Aphorismus auffassen. Die Kriterien wissenschaftlicher Methodik können dabei vernachlässigt werden.

Etymologisch leitet sich das Wort von dem lateinischen Verb exigere (u. a. „prüfen“, „untersuchen“, „beurteilen“, „abwiegen“, „erwägen“) ab.

Essays werden üblicherweise als Literaturkritik, politische Manifeste, gelehrte Argumente, Beobachtungen des täglichen Lebens, Erinnerungen und Reflexionen des Autors verwendet. Fast alle modernen Essays sind in Prosa geschrieben, aber auch Werke in Versen wurden als Essays bezeichnet (z. B. Alexander Pope's An Essay on Criticism (dt. Ein Versuch über die Kritik) und An Essay on Man). Während die Kürze normalerweise einen Essay definiert, sind voluminöse Werke wie John Lockes "An Essay Concerning Human Understanding" (dt. Eine Abhandlung über den menschlichen Verstand) und Thomas Malthus' "An Essay on the Principle of Population" Gegenbeispiele.

In einigen Ländern sind Aufsätze zu einem wichtigen Bestandteil der formalen Bildung geworden. Schüler der Sekundarstufe werden in strukturierten Aufsatzformaten unterrichtet, um ihre Schreibfähigkeiten zu verbessern; Zulassungsaufsätze werden häufig von Universitäten bei der Auswahl von Bewerbern verwendet, und in den Geistes- und Sozialwissenschaften werden Aufsätze häufig als Mittel zur Beurteilung der Leistung von Studenten bei Abschlussprüfungen eingesetzt.

Bildung

Der Begriff Bildung (siehe auch Bildungsbürgertum) ist eine deutsche "Erfindung". Im Englischen existiert kein Äquivalent: education meint Ausbildung, literacy meint Belesenheit, bzw. lesen lernen.

Bildung bezieht sich auf die deutsche Tradition der Selbstkultivierung (verwandt mit dem deutschen Wort für: Schöpfung, Bild, Gestalt), in der Philosophie und Bildung in einer Weise miteinander verbunden sind, die sich auf einen Prozess sowohl der persönlichen als auch der kulturellen Reifung bezieht. Diese Reifung wird als eine Harmonisierung von Geist und Herz des Individuums und in einer Vereinheitlichung des Selbstseins und der Identität innerhalb der breiteren Gesellschaft beschrieben, wie es in der literarischen Tradition des Bildungsromans zum Ausdruck kommt.

In diesem Sinne wird der Prozess der Harmonisierung von Verstand, Herz, Selbstsein und Identität durch persönliche Transformation erreicht, die eine Herausforderung für die akzeptierten Überzeugungen des Einzelnen darstellt. In Hegels Schriften beinhaltet die Herausforderung des persönlichen Wachstums oft eine quälende Entfremdung vom eigenen "natürlichen Bewusstsein", die zu einer Wiedervereinigung und Entwicklung des Selbst führt. In ähnlicher Weise erfordert die soziale Einheit zwar gut geformte Institutionen, aber auch eine Vielfalt von Individuen mit der Freiheit (im positiven Sinne des Wortes), eine große Vielfalt von Talenten und Fähigkeiten zu entwickeln, und dies erfordert persönliche Handlungsfähigkeit. Allerdings ist sowohl die individuelle als auch die gesellschaftliche Einigung kein Endzustand, sondern ein Prozess, der von unablässigen Negationen angetrieben wird.

In diesem Sinne geht es bei der Bildung um die Formung des Menschen im Hinblick auf sein eigenes Menschsein sowie seine angeborenen intellektuellen Fähigkeiten. Der Begriff verweist also auf einen Prozess des Werdens, der mit einem Prozess des Werdens im Existentialismus in Verbindung gebracht werden kann.

Der Begriff Bildung korrespondiert auch mit dem Humboldtschen Modell der höheren Bildung aus dem Werk des preußischen Philosophen und Bildungsadministrators Wilhelm von Humboldt (1767-1835). In diesem Zusammenhang wird der Begriff der Bildung zu einem lebenslangen Prozess der menschlichen Entwicklung und nicht zu einem bloßen Training zur Aneignung bestimmter äußerer Kenntnisse oder Fähigkeiten. Eine solche Ausbildung in Fähigkeiten ist unter den deutschen Begriffen Erziehung und Ausbildung bekannt. Im Gegensatz dazu wird Bildung als ein Prozess gesehen, in dem die geistigen und kulturellen Sensibilitäten eines Individuums sowie die Lebens-, persönlichen und sozialen Fähigkeiten in einem kontinuierlichen Prozess der Erweiterung und des Wachstums sind. Bildung wird als ein Weg gesehen, durch höhere Selbstreflexion freier zu werden. Von Humboldt schrieb in Bezug auf Bildung 1793/1794:

"Bildung, Wahrheit und Tugend" müssen so weit verbreitet werden, dass der "Begriff der Menschheit" in jedem Einzelnen eine große und würdige Gestalt annimmt (GS, I, S. 284). Dies soll aber von jedem Einzelnen persönlich erreicht werden, der "die große Masse des Stoffes, die ihm von der ihn umgebenden Welt und von seinem inneren Dasein dargeboten wird, mit allen Möglichkeiten seiner Aufnahmefähigkeit aufnehmen muss; er muss dann diesen Stoff mit allen Kräften seiner eigenen Tätigkeit umgestalten und sich aneignen, um eine Wechselwirkung zwischen seiner eigenen Persönlichkeit und der Natur in einer allgemeinsten, tätigen und harmonischen Form zu schaffen".

Am explizitesten in Hegels Schriften lehnt die Bildungstradition die vorkantianische Metaphysik des Seins zugunsten einer postkantianischen Metaphysik der Erfahrung ab, die universelle Erzählungen ablehnt. Ein Großteil von Hegels Schriften handelte von der Natur der Bildung (sowohl Bildung als auch Erziehung), was seine eigene Rolle als Lehrer und Verwalter in deutschen Gymnasien widerspiegelt, und in seinen allgemeineren Schriften.


"Zu denken, dass dieser ganze Reichtum, der Reichtum des ursprünglichen Chaos, um schmackhaft und trinkbar zu sein, mit den homerischen ausführlichen Einzelheiten des Alltags durchdrungen werden muss, mit dem stets wiederholten Drama armseliger Menschlein, deren Leiden und Bestreben, selbst für sterbliche Ohren das monotone Klappern von Windmühlen im erbarmungslosen Raum haben!
Die Kleinen und die Großen - nur durch winzige Zwischenräume getrennt. Alexander stirbt in den trostlosen Weiten Asiens an Lungenentzündung. Caesar in seinem Purpur wird durch eine Schar von Verrätern als sterblich erwiesen. Blake singt auf dem Sterbebett. Damien wird aufs Rad geflochten und kreischt wie tausend Adler, denen die Gelenke verdreht werden. Was macht das aus, und wer kümmert sich darum? Ein Sokrates, der an ein zänkisches Weib gefesselt ist, ein Heiliger, der mit tausend Plagen behaftet ist, ein Prophet, der geteert und gefedert wird...wozu das alles?
Alles Korn für die klappernde Mühle, Daten für Geschichtsschreiber und Chronisten, Gift für das Kind, Kaviar für den Schulmeister. Und hiermit und hierdurch torkelt der Schriftsteller wie ein erleuchteter Trunkenbold auf seinem Weg weiter und erzählt seine Geschichte, lebt und atmet, wird geehrt oder verfemt. Was für eine Rolle! Gott schütze uns!"
Quelle Text: Nexus, Henry Miller (1891-1980), Rowohlt Verlag, S.132, (deutsch: Kurt Wagenseil)